Deutschland: 9-Euro-Ticket hat fulminanten Start

Deutschland: 9-Euro-Ticket hat fulminanten Start

Deutschland: 9-Euro-Ticket hat fulminanten Start

Wird jetzt das berühmte Rote Kliff auf der Nordseeinsel Sylt unter dem Ansturm der Besucher*innen komplett ins Meer stürzen? Werden sich in überfüllten Zügen apokalyptische Szenen abspielen, wenn sich Reisende „mit Bedürfnissen“ mit Gewalt zu einer der wenigen funktionierenden Toiletten durchschlagen?

Befürchtungen wie diese verbreiten derzeit professionelle Kassandras und Nostradamusse, ironisierte heute in einem Bericht der Deutschlandfunk. Erst seit zwei Tagen ist das in ganz Deutschland gültige 9-Euro-Ticket im Verkauf. Und schon kauften es zwei Millionen Deutsche! In wenigen Tagen werde es wohl kaum jemand in Deutschland ohne dieses Ticket geben, vermutete der Rundfunkautor. Doch wenn alles gut geht, wird auch die Insel Sylt die Touristenhausse wohl überleben.

Das Angebot ist tatsächlich verlockend. Für nur neun Euro im Monat können die Inhaber solcher Tickets im Juni, Juli und August in Deutschland alle öffentlichen Verkehrsmittel nutzen: Busse, Trams, U-Bahnen, aber auch Stadt- und Regionalzüge – und das unabhängig von der Anzahl der Fahrten. Das Programm ist Teil des Entlastungspakets der deutschen Bundesregierung für die Bevölkerung wegen der hohen Energiepreise.

Dazu heißt es auf der Webseite der Regierung: „Zur Finanzierung wird der Bund die Regionalisierungsmittel im Jahr 2022 um insgesamt 3,7 Milliarden Euro erhöhen. Damit soll sowohl die Umsetzung des „9 für 90-Ticket“ finanziert als auch der Beitrag des Bundes am Ausgleich der pandemiebedingten Fahrgeldeinnahmeausfälle der ÖPNV-Verkehrsunternehmen ermöglicht werden.“

Kauf auch über deutschlandweite App

Das Superticket muss durch die Inhaber*innen unterschrieben werden, die Mitnahme von Fahrrädern ist nicht inbegriffen.  Der Verkauf geschieht durch die Onlinekanäle, Automaten und Schalter der beteiligten Verkehrsunternehmen. Passend zum Start der Aktion vermeldete der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen e. V. (VDV) von einem weiteren Verkaufskanal, eine deutschlandweite App: „Über die Internetseite ticket.besserweiter.de erhalten alle Interessenten die nötigen Infos und gelangen direkt zum Download der App in den App-Stores. Unter „9-Euro-Ticket-App“ ist die Anwendung in den Stores auch direkt zu finden.“

Die Umsetzung dieses digitalen Angebots war ausdrücklicher Wunsch des Bundes und der Länder, um auch „Newcomern“ unter der Nutzerschaft öffentlicher Verkehrsmittel, die die üblichen Verkaufswege solcher Tickets gar nicht kennen, eine einfache Alternative zu bieten. „Dies hat die Branche, koordiniert über den VDV, in kürzester Zeit realisiert. Ich danke allen Beteiligten und dabei vor allem auch dem technischen Partner Mobility inside für die bis hierhin erfolgreiche Umsetzung“, freute sich VDV-Präsident Ingo Wortmann.

Im Rahmen von #besserweiter, der bundesweiten Informationskampagne des ÖPNV zum 9-Euro-Ticket, wurde die 9-Euro-Ticket-App von Mobility Inside in wenigen Wochen an den Start gebracht. Prof. Knut Ringat, VDV-Vizepräsident, RMV-Geschäftsführer und Vorsitzender der Gesellschafterversammlung der Mobility Inside Holding: „Innerhalb von zwei Monaten ist es gelungen, die branchenweite Initiative Mobility inside als Dienstleister mit ihrer Plattform bundesweit zu positionieren und zu zeigen, wie leistungsfähig die Branche auch bei der Digitalisierung ist wenn die Rahmenbedingungen dies zulassen.“

Mit Hilfe der technischen Dienstleistung der DB Vertrieb GmbH ist es Mobility inside innerhalb kürzester Zeit gelungen, die App und die damit verbundenen administrativen Aufgaben zu etablieren. Dazu gehörte insbesondere die Komplexität der tarifrechtlichen Rahmenbedingungen operativ umzusetzen. „Wir können mit solchen digitalen Lösungen den aus Sicht der Fahrgäste bestehenden Tarifdschungel durchschlagen, die 9-Euro-Ticket-App ist ein gutes Beispiel dafür“, so Prof. Knut Ringat.

Damit sich in Zügen kein Danton’sches Inferno abspielt, haben führende Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) angekündigt, mehr und längere Züge im Regionalverkehr einzusetzen. „DB Regio hält mit 22.000 Zugfahrten pro Tag 300.000 Mal, um Fahrgäste überall in Deutschland klimafreundlich ans Ziel zu bringen“, heißt es bei dem größten deutschen Nahverkehrsbetreiber. „Rund 10.000 Busse sorgen für gut eine Million Halte pro Tag und sichern vor allem im ländlichen Raum öffentliche Mobilität für Berufspendler*innen, Schüler*innen und Ausflügler.“

Zusätzliche Zugfahrten, mehr Sitzplätze

Für die zu erwartende steigende Zahl von Fahrgästen ab dem 1. Juni lässt DB Regio über 50 zusätzliche Züge rollen: „Bahnkund*innen profitieren damit von rund 250 zusätzlichen Fahrten und einer Erhöhung des täglichen Angebots von rund 60.000 Sitzplätzen in den Regional- und S-Bahn-Zügen.“ Da an den bevorstehenden Feiertagswochenenden und während der Sommermonate insbesondere mehr Freizeit- und Ausflugsfahrten unternommen werden, verstärkt die DB vor allem entlang touristischer Strecken das Personal in Zügen und Bahnhöfen.

Über 700 zusätzliche Service- und Sicherheitskräfte koordinieren den Ein- und Ausstieg, unterstützen Reisende mit Gepäck oder Fahrrädern und stehen für Auskünfte zur Verfügung. Das sind viermal so viele wie in einem normalen Sommer, betont die DB und bereitet ihre Reisenden darauf vor, dass Fahrpläne nicht immer eingehalten werden können: Gleisbauarbeiten zur Unterhaltung und Erneuerung des Streckennetzes „ gehen ungebremst weiter und bringen teilweise längere Fahrtzeiten mit sich.“

Ein Ticket, unbegrenzt viele Fahrten: Das 9-Euro-Ticket. Bilder (3): Hermann Schmidtendorf

Auch die Landesnahverkehrsgesellschaft Niedersachsen mbH (LNVG) wird ihre Angebot an Regionalzügen während der Aktionsmonate deutlich erhöhen. „Niedersachsen weitet vom 1. Juni bis 31. August das Platzangebot in Nahverkehrszügen aus. „Wir haben den Einsatz zusätzlicher Wagen bestellt, um Züge zu verlängern. Wir haben alles genommen, was die Unternehmen uns anbieten konnten“, sagt Carmen Schwabl, Sprecherin der Geschäftsführung der Landesnahverkehrsgesellschaft Niedersachen (LNVG). „Wir würden gerne auch mehr zusätzliche Züge fahren lassen, aber das geht leider nur sehr eingeschränkt. Die Kapazitäten fehlen – und lassen sich auch nicht von einem Tag auf den anderen schaffen.“

So sind im Hansenetz des metronom, zu dem unter anderem die RE 2 und RE 3 gehören, keine zusätzlichen Fahrten oder eine Verlängerung der Züge möglich. Grund ist eine seit Langem geplante Baustelle der DB Netz AG zwischen Lüneburg und Hamburg. Auch im Expresskreuz Bremen/Niedersachen sind keine zusätzlichen Fahrten und keine Verlängerung von Zügen möglich. DB Regio hat aber an mehreren Einsatzstellen Entlastungsbusse mit Fahrradanhängern für das Pfingstwochenende, das zweite Wochenende im Juni und das erste Sommerferienwochenende bestellt.

Obwohl die LNVG mehr als 400 Lokomotiven, Wagen und Triebzüge an die Bahngesellschaften vermietet, sei es auch nur selten möglich, Züge zu verlängern. „Die Bahnsteiglängen sind häufig bereits ausgeschöpft“, so Schwabl, „längere Züge könnten dort gar nicht halten.“ Für zusätzliche Züge fehle es den Bahngesellschaften außerdem am Personal. Schwabl: „Wir hoffen, dass das 9-Euro-Ticket kein Strohfeuer bleibt, sondern dass der Bund dauerhaft mehr in Infrastruktur und Betriebsleistungen investiert.“

Auch wer schon „normale“ Monats-Tickets im Abo bezieht, kommt in den Genuss des 9-Euro-Tickets. Die Differenzsumme wird den Abonnenten automatisch erstattet.

Hier sollen Züge verlängert werden:

– RE 15 (Emden – Münster/Westfalen): Montags bis donnerstags zwischen 6 Uhr und 18 Uhr werden alle Fahrten in Doppeltraktion anstelle von Einfachtraktion verkehren. Am Wochenende fahren die Züge der WestfalenBahn hier bereits überwiegend Doppeltraktionen.

– RB 56 (Bad Bentheim – Neuenhaus): An den Wochenenden 4./5. und 11./12. Juni werden alle Fahrten  in Doppeltraktion durchgeführt. Sollte die Nachfrage zeigen, dass das an den Wochenenden sinnvoll ist, wird das Konzept von der Bentheimer Eisenbahn fortgesetzt.

– Regio-S-Bahn Bremen/Niedersachsen: Auf den Linien RS2 (Bremerhaven-Lehe – Twistringen) und RS3 (Bad Zwischenahn – Bremen) sind längere Züge der NordWestBahn an den Wochenenden ab dem 9. Juli möglich.

– RB 33 (Cuxhaven – Bremerhaven – Buxtehude): Nach der Früh-Hauptverkehrszeit verkehren alle Züge der Eisenbahnen und Verkehrsbetriebe Elbe-Weser im Zeitraum von ca. 8 bis 18 Uhr grundsätzlich in Doppeltraktion. Einzelne Fahrten, v.a. im Schülerverkehr werden in Dreifachtraktion gefahren.

– RE 10 (Bad Harzburg – Hannover): An Wochenenden werden hier bei erixx statt Doppeltraktionen Dreifachtraktionen fahren.

– RB 38 (Buchholz/Nordheide – Hannover): Einzelne Züge der start Niedersachsen Mitte werden verlängert.

– RB 77 (Hildesheim – Löhne): Für den Freizeitverkehr im Wesertal werden von start Niedersachsen Mitte Doppeltraktionen am Wochenende angeboten. Nach Beginn einer Baumaßnahme zwischen Hameln und Hannover am 02. Juli wird dieses Konzept ausgeweitet und auch unter der Woche vermehrt in Doppeltraktionen gefahren.

– RE30 (Wolfsburg – Hannover): Ab dem 12. Juni wird der enno an den Wochenenden viele Züge in Doppeltraktionen fahren. Hier ist der Regionalverband Großraum Braunschweig Auftraggeber.

– RE 50 (Hildesheim – Wolfsburg): Zwischen Hildesheim und Wolfsburg werden auf der RE 50 vereinzelte zusätzliche Doppeltraktionen von enno gefahren. Hier ist der Regionalverband Großraum Braunschweig Auftraggeber.

– RB 46 (Braunschweig – Herzberg): Doppeltraktionen auf der RB 46 an den Wochenenden 4./5./6. und 11./12. Juni sollen dem Freizeitverkehr in Richtung Braunschweig und Harz Rechnung zu tragen. Sollte die Nachfrage hoch sein, wird das Konzept von DB Regio an den Wochenenden fortgesetzt. Derzeit wird zusammen mit DB Netz geprüft, ob trotz einer Baumaßnahme in Langelsheim auch auf der RB 80 und RB 82 Doppeltraktionen angeboten werden können.

Hermann Schmidtendorf, Chefredakteur

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