Der Staat fordert und fördert
Die umweltpolitischen Ziele sind ambitioniert: Zur Bekämpfung des Klimawandels soll Deutschland bis 2045 Klimaneutralität erreichen, zudem ist aufgrund des russischen Einmarschs in die Ukraine die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern möglichst schnell und möglichst stark zu reduzieren. Hierbei kann gerade der Verkehrssektor als einer der größten Energieverbraucher einen erheblichen Beitrag leisten. Als besonders effektive Maßnahme ist die Verkehrsverlagerung auf die Schiene zu sehen, da diese im intermodalen Vergleich sowohl im Personen- als auch im Güterverkehr die jeweils umweltfreundlichste Alternative darstellt.
Um die Energieeffizienz und somit die Nachhaltigkeit des Schienenverkehrs noch weiter zu stärken, hat der Staat eine zunehmende Anzahl von Förderprogrammen aufgelegt. Als attraktives Förderprogramm galt in den vergangenen Jahren die „Richtlinie über die Förderung der Energieeffizienz des elektrischen Eisenbahnverkehrs“. Dieses Programm wird nun allerdings zum 31. Dezember 2022 eingestellt – ein Jahr früher als geplant. Mit der vorzeitigen Einstellung werden langfristige Investitionsvorhaben vieler Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU), die entsprechende Fördermittel schon eingeplant hatten, konterkariert.
Die Entscheidung der Bundesregierung ist vor dem Hintergrund sowohl kurzfristig veränderter geostrategischer Rahmenbedingungen und einer Re-Priorisierung von Haushaltsgeldern als auch den in den Bemerkungen des Bundesrechnungshofs 2021 veröffentlichten Kritikpunkten am Förderprogramm zu bewerten. Dabei sollte nicht außer Acht gelassen werden, dass mit der vorzeitigen Einstellung auch die Förderlandschaft insgesamt Schaden nimmt. Denn viele EVU, die bereits entsprechende Investitionen getätigt haben und diese nun ohne Fördermittel stemmen müssen, werden neuen Programmen zunächst kritischer gegenüberstehen. Bereits heute ist die Inanspruchnahme ausgelobter Fördergelder schon bestenfalls mittelmäßig – obwohl viele Programme für die meisten EVU äußerst attraktiv sind.
Fördertöpfe werden nur unvollständig ausgeschöpft
Ein Blick auf zwei für die Schienenverkehrsbranche wesentliche Förderprogramme verdeutlicht diesen Widerspruch:
- Die zuvor genannte „Förderrichtlinie über die Energieeffizienz des elektrischen Eisenbahnverkehrs“ stellt EVU seit 2018 jährlich bis zu 100 Mio. Euro zur Verfügung. Nach der vorzeitigen Einstellung des Programms waren Anträge letztmalig zum 30.06.2022 möglich. Antragsberechtigt waren EVU mit deutscher Lizenz, sofern sie eine Verbesserung des spezifischen Energieverbrauchs um mindestens 2,0 Prozent im Vorjahresvergleich nachweisen konnten. Gefördert wurde „die Steigerung der Energieeffizienz durch den Einsatz effizienterer Technologien und Techniken und durch die bessere Ausschöpfung betrieblichen Optimierungspotenzials“. Trotz dieses recht breit gefassten Fördergegenstands und einer äußerst attraktiven Förderquote von bis zu 50 Prozent der Ausgaben wurden in den Förderjahren 2018-2020 insgesamt nur knapp 134 Mio. Euro der theoretisch verfügbaren300 Mio. Euro abgerufen (≙ 44,6 Prozent). Die Veröffentlichung des Fördersatzes für Anträge zum Förderjahr 2021 steht unmittelbar bevor.
- Die „Förderrichtlinie alternative Antriebe im Schienenverkehr“ zielt darauf ab, Mehrkosten für Investitionen in moderne Alternativen zu Dieselfahrzeugen (z. B. Zweikraft-, Batterie- oder Wasserstofffahrzeuge) abzufedern. Bis zu 60 Prozent der Mehrausgaben gegenüber einem herkömmlichen, konventionellen Fahrzeug werden je nach Unternehmensgröße bezuschusst. Und obwohl gerade solche Fahrzeuge bei vielen EVU aktuell auf der Wunschliste stehen, wurden im ersten Aufruf 2021 nur knapp 115 Mio. Eurodes insgesamt vorhandenen Fördertopfes von 227 Mio. Euro ausgeschüttet (≙ 50,6 Prozent). Am 01.07.2022 wurde der zweite Aufruf der Förderrichtlinie Alternative Antriebe veröffentlicht – das Fördervolumen beträgt 141 Mio. Euro.
Die zögerliche Ausschöpfung der Fördermittel ist erfahrungsgemäß auf unterschiedliche Gründe zurückzuführen.
- Geringe Transparenz und unzureichendes Know-how: Speziell kleineren Unternehmen ohne dezidierte Stelle für die Fördermittelakquise fällt es schwer, den Überblick über alle potenziellen Programme zu behalten. Auch wenn Fördermittelgeber und Verbände hier Abhilfe schaffen wollen, stellen wir immer wieder fest, dass lückenhaftes Wissen über Fördermöglichkeiten entsprechende Chancen verringert.
- Fehlende Passgenauigkeit und eingeschränkte Planbarkeit: In Förderprogrammen sind Fördergegenstand, Zuwendungsempfänger und häufig weitere Bedingungen als Voraussetzung für die Förderfähigkeit genau definiert. Aufgrund solch detaillierter Regelungen ist die Förderfähigkeit einer spezifischen Maßnahme nicht garantiert. Zudem werden Fördergelder häufig im Wettbewerb vergeben – vollständig planbar sind diese daher nicht.
- Anspruchsvolle Nachweisführung: Gerade die Nachweisführung für die „(besonderen) Zuwendungsvoraussetzungen“ in Förderrichtlinien stellt potenzielle Fördermittelempfänger vor große Herausforderungen. Nach unserer Erfahrung betrifft dies häufig die Verfügbarkeit von Quelldaten, die nicht im geforderten Detailgrad oder der benötigten Qualität vorliegen. In der Folge sind umfangreiche Aufbereitungsarbeiten zu leisten, vor denen einige Unternehmen zurückschrecken.
- Herausfordernde formale Förderbedingungen: Eine Vielzahl an Förderanträgen scheitert an der Nichteinhaltung der formalen Förderbedingungen – insbesondere der vergaberechtlichen Anforderungen. Diese werden in den Allgemeinen Nebenbestimmungen zur Projektförderung (ANBest-P) beschrieben und über die Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) bzw. die Sektorenvergabeordnung (SektVO) konkretisiert. Bei der Bezuschussung aus öffentlichen Geldern legt der Gesetzgeber hierauf verständlicherweise höchsten Wert.
- Eingeschränkte Ressourcenverfügbarkeit: Die eigentliche Förderantragstellung beansprucht mit der Anfertigung von Projektskizzen und Sachberichten, der quantitativen Nachweisführung sowie der Einholung und Befüllung von Formularen beachtliche Ressourcen – meist in einem limitierten Zeitfenster. Dies stellt viele Unternehmen vor eine Herausforderung, die im laufenden Betrieb kapazitäts- sowie erfahrungsbedingt nur schwer gemeistert werden kann.
Dr. Martin Bernhardt, Daniel Blum
Fortsetzung folgt! Der komplette Artikel wird in rail & mobility 1/2022 veröffentlicht.
Dr. Martin Bernhardt und Daniel Blum sind als Partner und Senior Manager bei der Beratungsfirma Berg Lund & Company (BLC, www.berg-lund.de) tätig. Sie begleiten zahlreiche Unternehmen in der Schienenverkehrsbranche im Umfeld von Förderprogrammen, Energieeffizienzmaßnahmen und der quantitativen Unternehmenssteuerung (z. B. KPI-Entwicklung, Monitoringsysteme). |