Bereits im letzten Jahr beschlossen beide Eisenbahnen, ihren Kooperationsvertrag über 2025 hinaus zu verlängern. Diesen Sommer bieten Deutsche Bahn und SNCF eine neue Direktverbindung von Frankfurt/Main nach Bordeaux an. Vom 8. Juli bis 26. August 2023 wird jeweils samstags ein moderner TGV Duplex Reisende an die französische Atlantikküste und zurück bringen. Der TGV startet morgens um 6.56 Uhr in Frankfurt/Main Hauptbahnhof und erreicht Bordeaux um 14.35 Uhr. Zurück geht es um 15.58 Uhr ab Bordeaux, die Ankunft in Frankfurt ist um 23.51 Uhr. Die Fahrzeit beträgt damit 7 Stunden 40 nach Bordeaux und knapp acht Stunden in der Gegenrichtung. Zwischenhalte sind Mannheim (ab 7.39 Uhr / an 22.52 Uhr), Karlsruhe (ab 8.06 Uhr / an 22.20 Uhr) Strasbourg, Lorraine, Meuse, Champagne-Ardenne, Marne la Vallée-Chessy, Massy, St. Pierre de Corps, Poitiers und Angoulême.
Neue Zugverbindung nach Bordeaux
Wie sich die Zeiten ändern: Die letzte durchgehende Fernverkehrsverbindung aus Deutschland nach Bordeaux gab es vor zwanzig Jahren. 2003 fuhr ein Autozug von Berlin über Düsseldorf an die Atlantikküste und wieder zurück. Jetzt wird diese Strecke wieder per Zug befahren – doch ohne Pkw. Mit den Bordeaux-Zügen knüpfen die Kooperationspartner an die Direktverbindung von Frankfurt/Main nach Marseille an, die 2012 in Betrieb gegangen ist. Tickets für die neue Verbindung sind ab Anfang Februar auf allen Vertriebskanälen der DB ab 69,90 Euro buchbar, heißt es bei der Deutschen Bahn.
„Im grenzüberschreitenden Fernverkehr, gerade mit Frankreich, verzeichnen wir nach der Corona-Delle wieder eine stark steigende Nachfrage“, erläutert Stefanie Berk, Marketingvorständin DB Fernverkehr. Offenbar klappt die Zusammenarbeit so gut, dass dazu keine eigene Firma mehr notwendig ist. 2007 hatten SNCF und DB noch in Saarbrücken eigens für die Zusammenarbeit die joint venture Alleo gegründet, mit Geschäftsführern aus beiden Ländern. Doch Alleo wurde 2019 aufgelöst.
Dunkle Vergangenheit bleibt präsent
Diese französisch-deutsche Harmonie zwischen den Eisenbahnen ist nicht selbstverständlich. Das erfuhr der Verfasser dieser Zeilen bei einer Jubiläumsveranstaltung beider Bahnen in Paris. Im kleinen Kreis fragte ein Franzose seine Kolleginnen und Kollegen von der SNCF: „Erinnert Ihr Euch noch an die Anfänge? Als es hieß, wir machen jetzt mit den Deutschen gemeinsamen Bahnverkehr? Da haben doch viele von uns protestiert! Die Deutschen haben Frankreich im Krieg überfallen, heute drücken sie uns wirtschaftlich an die Wand, mit denen werde ich niemals arbeiten! Da mussten doch einige von uns geradezu zwangsdelegiert werden in den gemeinsamen Planungsstab mit der deutschen Bahn.“ Und auch auf deutscher Seite gab es Zweifel: Sind die Franzosen denn genügend diszipliniert und zuverlässig? Da wird doch immer gestreikt, die denken immer an Urlaub und Mittagspause…
Zum Glück für beide Seiten scheinen diese Bedenken der Anfangszeit überwunden. Doch es bleibt natürlich der Ballast der Geschichte. Zum Beispiel in der Gemeinde Portes-lès-Valence nahe Lyon. Während des 2. Weltkriegs blieb zwar die französische Staatsbahn formell ein eigenständiges französisches Unternehmen. Doch es unterstand den militärischen Vorgaben der deutschen Wehrmacht, auf den Geländen der Bahn-Depots führten deutsche Okkupanten das Wort.
So war es auch in Valence, einem wichtigen Eisenbahn-Zentrum. Doch es gab Untergrundgruppen des französischen Widerstands, der Résistance. In der Gegend um Valence, Drôme, war besonders die Compagnie Pons aktiv. Ihr Anführer war der 1896 geborene Paul Pons, Enkel eines ehemals dort in der Region gewählten Bürgermeisters und Generalrats. Pons diente während des Ersten Weltkriegs in der Marine und heuerte später bei der Handelsmarine an. Am 7. Juli 1944 verübte die Kompanie Pons gegen Mitternacht ein Bombenattentat auf das Eisenbahn-Depot von Portes-lès-Valence. Es war eine starke Explosion: Gleich acht Lokomotiven wurden außer Betrieb gesetzt. Doch die Bombe tötete auch zwölf Deutsche und die französischen Eisenbahner Albert Benzo, Gabriel Prévot und Victor Kuhn, die qualvoll in den Trümmern eines SNCF-Gebäudes starben.
Am folgenden Tag folgte eine für die damalige Zeit typische Rache der Nazis: Direkt vor dem Depot wurden 30 im nahe gelegenen Gefängnis von Montluc festgehaltene Geiseln erschossen. Über Jahrzehnte hinweg bemühte sich der Sohn eines der gefallenen Eisenbahner, Gérard Prévot, das Gedenken an das Massaker aufrecht zu erhalten. 2019 war er endlich am Ziel. Vor einem Mauerstück, das vom ehemaligen zerstörten Bahndepot in Valence erhalten geblieben war, wurde eine Gedenktafel aufgestellt. Seither gibt es jedes Jahr zum Jahrestag des Dramas eine Gedenkzeremonie.
Hermann Schmidtendorf, Chefredakteur