49-Euro-Ticket: Deutschlandweit im Nah- und Regionalverkehr fahren ist trickreich im Detail

49-Euro-Ticket: Deutschlandweit im Nah- und Regionalverkehr fahren ist trickreich im Detail

49-Euro-Ticket: Deutschlandweit im Nah- und Regionalverkehr fahren ist trickreich im Detail

Es war eine schwere Geburt. Sie dauerte, ganz wie in der menschlichen Natur, neun Monate: Am 1. September 2022 endete das monatliche 9-Euro-Ticket als Pauschal-Zutritt zum deutschen Personen-Nah- und Regionalverkehr. Am 1. Mai 2023 kommt jetzt das Folgeticket für 49 Euro monatlich. So beschloss es endgültig der „Kreißsaal der deutschen Demokratie“, der Deutsche Bundesrat.

Von einer „Revolution für den öffentlichen Nahverkehr“ spricht der Geschäftsführer der gemeinnützigen Allianz pro Schiene Dirk Flege. Das Deutschlandticket könne ein entscheidender Hebel für die Verkehrswende sein, weil es Bus- und Bahnfahren nicht nur günstiger, sondern vor allem auch deutlich einfacher mache. Dirk Flege: „Jetzt müssen wir alles daransetzen, die Kapazitäten im ÖPNV hochzufahren und die Taktung zu verdichten, damit das Umsteigen auf Busse und Bahnen für noch mehr Menschen attraktiver und zuverlässiger wird.“

Auch der Präsident des Bundesverbands SchienenNahverkehr BSN Thomas Prechtl ist begeistert: „Wir freuen uns auf den Start des Deutschlandtickets, denn es ist nicht „nur“ ein weiterer neuer Fahrschein, sondern ein großer Schritt auf dem Weg zur Verkehrswende. Es wird den Nahverkehr auf der Schiene nachhaltig verändern und viele neue Fahrgäste vom umweltfreundlichsten Verkehrsmittel überzeugen. Daher setzen wir als Aufgabenträger des Schienenpersonennahverkehrs bereits seit Monaten alle Hebel in Bewegung, damit das Ticket ein großer Erfolg wird.“

Bestehende und potentielle Nutzer*innen öffentlicher Verkehrsangebote in Deutschland müssen jetzt genau prüfen, wo sie das neue Ticket kaufen, was sie mit bestehenden Abonnements tun und wofür genau die gekaufte Fahrkarte gültig ist.

Deutschlandweit einheitliche Eckpunkte

Das neue Ticket kostet 49 Euro im Monat und gilt für alle Regional- und S-Bahn-Züge der 2. Klasse, für Regional- und Stadtbusse, Straßenbahnen und U-Bahnen sowie je nach Region auch für Schiffsfähren.


Das Ticket gibt es nur als Abo. Dazu sollen Interessierte eine Einzugsermächtigung (SEPA-Lastschrift) bei ihrer Bank für das ausgewählte Verkehrsunternehmen ausstellen. Das Unternehmen bucht dann automatisch jeden Monat 49 Euro vom Kund*innen-Konto ab.  Dieses Verfahren schließt spontane Kaufentschlüsse aus.

Bestellungen müssen zumeist bis zum 10. des Vormonats erfolgen, ab dem das Ticket genutzt werden soll. Manche Unternehmen schreiben sogar vor, dass Bestellungen bis zum 1. eines Vormonats erfolgen müssen. Kündigungen des Abos sind monatlich möglich – wiederum zu dem bei der Bestellung gültigen Stichdatum. Der Ticketkauf an einem Automaten ist ausgeschlossen.

Somit ist es für Ausländer aus den deutschen Nachbarländern schwierig, ein solches Ticket zu erwerben. Das Einzugsverfahren zur Ticket-Bezahlung funktioniert wahrscheinlich nur für Inhaber*innen eines deutschen Bankkontos. Nur wenige deutsche Banken eröffnen EU-Ausländern ohne Wohnsitz in Deutschland ein Bankkonto. Dazu gehört nach Recherchen von rail & mobility die Direktbank N26.

Zwar gehören alle EU-Nachbarn Deutschlands zum SEPA-Zahlungsraum: SEPA-Nachbarn (Euro): Belgien, Frankreich, Luxemburg, Niederlande, Österreich. SEPA-Länder (ohne Euro): Tschechische Republik, Dänemark, Polen. Und seit Inkrafttreten der sogenannten SEPA-Verordnung (VO Nr. 260/2012) dürfen Unternehmen nicht mehr vorschreiben, in welchem Land der EU das Konto zu führen ist, von dem die Lastschrift getätigt werden soll. Doch angesichts der praktischen Schwierigkeit, die Bonität ausländischer Kundschaft zu prüfen, und der fehlenden Euro-Kompatibilität im Falle der letztgenannten Länder dürfte es unwahrscheinlich sein, dass ein deutsches Unternehmen das D-Ticket von einem ausländischen Bankkonto bezahlen lässt.

Und Bargeld? Ein Sprecher der Deutschen Bahn erklärte gegenüber der Süddeutschen Zeitung, das Ticket-Abo solle auch an DB-Ticketschaltern an Bahnhöfen verkauft werden und dann in bar bezahlbar sein. Allerdings müsse dann ein gesamter Jahresbetrag im Voraus entrichtet werden, die monatliche Kündigung falle weg. Auch das dürfte nicht viele Ausländer*innen dazu ermuntern, sich das D-Ticket anzuschaffen.

Gemeinsam vereinbarten Bund und die Bundesländer das “Deutschlandticket” als Jobticket: Wenn Arbeitgeber ihren Beschäftigten einen Zuschuss von mindestens 25 Prozent auf das 49-Euro-Ticket gewähren, können bis zum 31. Dezember 2024 zusätzlich fünf Prozent Übergangsrabatt gewährt werden. Das Ticket kostet dann also nur 34,30 Euro.

Das Ticket darf bei allen anbietenden Unternehmen gekauft werden: Kölner*innen dürfen es also auch in Berlin oder Buxtehuder*innen in Sachsen kaufen. Wie genau der interne Finanz-Verteilungsschlüssel zwischen den beteiligten Unternehmen funktioniert, wird nicht öffentlich kommuniziert.

Es muss sich aber offenbar lohnen, im eigenen Unternehmen möglichst viele Ticketverkäufe einzuheimsen. Warum sonst würde zum Beispiel die mona, die Mobilitätsgesellschaft für den Nahverkehr im Allgäu, für ihre D-Ticket-Käufer*innen ein spezielles Gewinnspiel ausloben?    

Doch das ist nur der Rahmen. Im Detail gibt es jetzt viel Arbeit für Verbände des Verbraucherschutzes und der Bahnkund*innen. Das betrifft sowohl die Frage, mit welcher App das Ticket bestellt werden kann, also auch verschiedene, regional unterschiedliche Extras, die zusammen mit dem D-Ticket genutzt werden dürfen. rail & mobility stellt einige der trickreichen Details zusammen. (Bilder BVG: Pfiffige Werbe-kampagne, Ticket per Chipkarte und App: Berlins Verkehrsbetriebe BVG sind auf das Deutschlandticket gut vorbereitet.)

Besonders Bundesverkehrs-Minister Dr. Volker Wissing wollte das neue Ticket nur als digitales Ticket per App einführen. Das Ticket soll dann dauerhaft auf dem Handy installiert sein und bei Kontrollen mit dem Handy vorgezeigt werden. Schließlich ist Wissings Ministerium auch für Digitales zuständig.

Doch rail & mobility fand heraus: Nicht jede App, die jetzt für das Ticket angeboten wird, funktioniert auf jedem Smartphone!

Ticketkauf per Smartphone-App

Genauso wie bei der bahn bonus App der Deutschen Bahn – siehe unseren Bericht dazu in der kommenden Ausgabe! – sollten interessierte Nutzer*innen jetzt erst einmal prüfen, welche Ausgabe des Betriebsprogramms Android oder iOS auf ihren Smartphones läuft. Die App, über welche das D-Ticket gekauft werden soll, muss mit dieser Programmversion arbeiten können!   

–          Dein Deutschlandticket – diese nach eigenen Angaben „bundesweit gültige offizielle Deutschlandticket-App“, Hersteller Mobility inside Holding, funktioniert in ihrer Version vom 31. März 2023 laut Computer-Zeitschrift CHIP nur ab „Android OS 8.0 oder höher“.

–          Deutschlandticket APP, Version 1.4.3  von HanseCom PTTS GmbH: Diese App erfordert in ihrer aktualisierten Version vom 31.03.2023 nur „Android-Version 5.0 oder höher“. In der App sind über 20 Verkehrsverbünde mit einbezogen. Nur bei diesen können also Interessierte im Endeffekt ihr D-Ticket dann erwerben und auf ihr Handy laden.  

–          Handy-Ticket mit der kostenfreien NAH.SH-App für Android (ab Version 8.0) und iOS (ab Version 14.5)

–          D-Ticket über die Navigator-App der Deutschen Bahn: Android OS 6.0 oder höher, iOS 12.0 oder höher 

Ticketkauf als Chip-Karte 

Eine App sendet ständig Positionsdaten aus und verbraucht Strom. Das passt nicht allen Nutzer*innen. Die Berliner Verkehrsbetriebe BVG bieten das D-Ticket auch als Chipkarte an, ebenso unter anderem der Verkehrsverbund Oberelbe, die Dresdner Verkehrsbetriebe (DVB) und der Mitteldeutsche Verkehrsverbund. 

Ticketkauf als Papier-Ausdruck 

Zumindest für eine Übergangszeit bieten einzelne Unternehmen noch das D-Ticket in Papierform an:

TRANSDEV: „Dein persönliches Deutschlandticket bekommst du von uns an deine angegebene E-Mail-Adresse geschickt. Somit kannst du dein Ticket zu Hause ausdrucken oder auf deinem Handy anzeigen lassen. Zusätzlich wird dir das Ticket im Login-Bereich zur Verfügung stehen.“ https://deutschlandticket.de/

STADTWERKE AUGSBURG: „Dazu ist in den swa Kundencentern ein Bestellschein erhältlich, der bis zum 20. eines Monats ausgefüllt und eingereicht werden muss, um das D-Ticket ab dem Folgemonat nutzen zu können.“ https://www.sw-augsburg.de/deutschlandticket/deutschlandticket-informationen-bestellen/  

Die Seniorenbeauftragte im Vogtlandkreis Dagmar Nauruhn fordert im mdr Sachsenspiegel eine bundesweite Lösung: „Wir müssen Verantwortungsträger für das Thema sensibilisieren, haben also die Bundesregierung, den Verkehrsausschuss des Bundestags, die Landesregierung und wer uns so noch einfällt, haben wir alle angeschrieben, mit der Bitte, sich um das Thema zu kümmern und eine Papierausgabe der Fahrkarte voranzutreiben.“ 

Mal mit Hund und Fahrrad, mal ohne

Nordrhein-Westfalen, VBB Berlin-Brandenburg: Hund fährt kostenlos mit. Ebenso in Sachsen-Anhalt, allerdings präzisiert begrenzt auf „kleine Hunde in Transportboxen oder -taschen“. Sachsen-Anhalt: Fahrrad-Mitnahme gratis in Regionalzügen und S-Bahnen. Sachsen, Verkehrsverbund Oberelbe VVO: Hund und Fahrrad gratis für zusätzlich 10 Euro  

Upgrade des D-Tickets auf 1. Klasse-Züge 

Im Verkehrsverbund Bodensee-Oberschwaben für die Landkreise Lindau, Ravensburg und den Bodenseekreis (Bodo) zum Zusatzpreis von 9,90 Euro vorgesehen, nur im BODO-Geltungsbereich gültig, auch bis zu vier weitere Personen dürfen dann mitfahren. 1.-Klasse-Upgrade auch bei Transdev gegen Aufpreis vorgesehen.   

Eine große Vielfalt gibt es bei bereits bestehenden sowie in Vorbereitung befindlichen regionalen Angeboten für Studierende, Auszubildende, Personenkreise mit geringem Einkommen und Nutzer*innen eines begrenzten Bereichs des regionalen Angebots. Manche Länder planen eine Umstellung der Semestertickets für Studierende auf das D-Ticket bei Zuzahlung des Differenzbetrags. Andere Bevölkerungsgruppen werden je nach ihren Ansprüchen an Mobilität mit den günstigeren weiter fortbestehenden oder bald kommenden regionalen Angeboten besser bedient sein. In diesem Sektor ist derzeit vieles im Umbruch, so dass ein Überblick in einer späteren Ausgabe von rail & mobility gegeben werden soll.

Kundschaft bestehender Abo-Angebote in den Städten und Regionen sollte sich bei Interesse bei ihren Anbietern erkundigen, wie eine Umstellung auf das D-Ticket funktioniert. Denn manches soll automatisch geschehen, manches bedarf jedoch der Aktivität der Kund*innen.

Abo auch für Finanzschwache mit Negativ-Einträgen

Der Abschluss eines Abo-Vertrags ist ein zyklisches Zahlungsversprechen auf die Zukunft. Deshalb erkundigen sich manche Unternehmen im Vorfeld bei Plattformen wie Schufa, creditreform, CRIF oder infoscore nach der Bonität der Kund*innen in spe. Bei sogenannten Negativ-Einträgen wie Angaben zu schleppender Kreditzahlung oder der Überziehung eines erlaubten Bankkredit-Rahmens kann der Verkauf des D-Tickets verweigert werden. Müssen sich Finanzschwache davor fürchten?

Nicht unbedingt. Denn die Handhabung ist bei den Anbietern unterschiedlich. Bei den Erfurter Verkehrsbetrieben wird bereits seit vielen Jahren eine Bonitätsprüfung durchgeführt. Hannes Sperling, Referent für Öffentlichkeitsarbeit: “Kunden brauchen sich bei einer negativen Auskunft keine Gedanken machen, da wir jeden Fall einzeln prüfen. Denn unserer Erfahrung nach hängt die individuelle Bonität nicht von den Einkommensverhältnissen ab. Sollte es allerdings zu wiederholten Problemen bei der Abbuchung bei den Kunden kommen, werden wir uns vorbehalten, das Abo zu kündigen.”

Keine Prüfungen in Magdeburg, Berlin und Dresden

Dagegen soll bei den Magdeburger Verkehrsbetrieben keine Schufa-Prüfung durchgeführt werden, auch nicht bei den Dresdner Verkehrsbetrieben. Werde dort die Abbuchung durch ein ungedecktes Konto verweigert, werde das Ticket ungültig. Auch Transdev verzichtet auf eine Bonitätsprüfung – statt­dessen werde die Last­schrift abge­bucht, bevor das Ticket für den Kunden verfügbar sei. Scheitert der Bankeinzug, wird die Kundschaft zweistufig aufgefordert zu zahlen, anschließend übernimmt eine Inkassofirma.

Bei der Berliner BVG sollen Kunden das Ticket auch mit negativer Schufa-Auskunft bekommen. Das war offenbar in der Vergangenheit kein Problem, es gab unabhängig von Negativ-Einträgen kaum Zahlungsausfälle. Aller­dings ist einem Bericht der Süddeut­schen Zeitung zufolge beim Deutsch­land­ticket auch der Zahlungs­dienst­leister Logpay im Spiel. Dieser wird von rund 250 ÖPNV-Shops einge­setzt.

Die Deutsche Bahn bestä­tigte, dass Boni­täts- und Adress­prü­fungen bei Abon­nements üblich seien, und zwar über Info­score. Wer das nicht wünsche, solle am Schalter ein Jahr im Voraus in bar oder per Karte zahlen.

Einen Wehmutstropfen träufelte BSN-Präsident Thomas Prechtl in sein Lob für die Regierungsbeschlüsse des Koalitionsausschusses vom 28. März 2023. Zwar wurden äußerst positive Beschlüsse zur Sanierung des Schienenstreckennetzes in Deutschland verabschiedet. Doch weiterhin seien die Finanzen für den Erhalt der Bestandsverkehre über 2024 hinaus ebenso wenig sichergestellt wie die Mittel für den Angebotsausbau zur Umsetzung der Verkehrswende.

Prechtl: „Es muss dem Bund klar sein, dass ohne eine substanzielle Erhöhung der Regionalisierungsmittel bereits ab 2024 der bestehende Nahverkehr auf der Schiene nicht mehr gesichert ist. Ohne deutlich höhere Mittel können zudem auch keine Mehrverkehre bestellt werden. Vor allem die langfristige Finanzierung des jetzt zum 1. Mai einzuführenden Deutschlandtickets – von vielen auch als Klimaticket bezeichnet – bleibt zu klären. Dies muss jetzt nachgeholt werden, denn sonst verfügen wir künftig zwar über eine bessere Infrastruktur – jedoch mangelt es dann am Nahverkehrsangebot auf der Schiene.“

Für den Zeit­raum von 2023 bis 2025 beteiligt sich der Bund mit jähr­lich 1,7 Milli­arden Euro an den Kosten des Deutschland-Tickets. 2023 trägt der Bund zudem 50 Prozent der Mehr­kosten bei der Einfüh­rung der Tickets. Um die Finan­zie­rung dieser digi­talen Flatrate-Fahr­karte sicher­zustellen, soll 2025 auf Grund­lage einer Auswer­tung der verkehr­lichen und finan­ziellen Auswir­kungen ein erneutes Gesetz­gebungs­ver­fahren einge­leitet werden.

So kann es durchaus sein, dass das D-Ticket 2024 bald teurer wird. Deshalb sollten Freund*innen der öffentlichen Mobilität zum Pauschalpreis jetzt zahlreich das neue Ticket erwerben.  Je mehr Finanzen es in die Kassen der Verkehrsunternehmen spült, desto geringer wird die Versuchung sein, den Ticketpreis in Kürze zu erhöhen.

Hermann Schmidtendorf, Chefredakteur

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