Die Reminiszenzen an vergangene wilde Zeiten kamen am 7. Dezember 2023 im Hotel Sonneninsel auf Fehmarn zur Sprache. Die Deutsche Bahn hatte zu einer Pressekonferenz geladen, die großen Anklang fand. Verständlich – schließlich wurde der Baubeginn für ein Projekt verkündet, das formell schon am 3. September 2008 seinen Beginn genommen hatte. An jenem Tag wurde in Kopenhagen der „Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Dänemark über eine Feste Fehmarnbeltquerung“ (FBQ) unterzeichnet.
Eisenbahntunnel zwischen Lolland und Fehmarn
Darin legten die Vertragsseiten fest, dass zwischen Rødbyhavn auf der dänischen Insel Lolland und Puttgarden auf der deutschen Insel Fehmarn ein kombinierter Eisenbahn- und Straße-Tunnel errichtet wird. Alle Kosten bis zum Anschluss in Deutschland trägt die dänische Seite. Im Gegenzug darf die dänische Seite Nutzungsentgelt für die Benutzung des Tunnels erheben. Die Kosten des weiteren Anschlusses an das deutsche Verkehrsnetz trägt die deutsche Seite. Bauträgerin ist die dänische Gesellschaft Femern A/S. Diese unterhält auf beiden Seiten für die Bevölkerung und andere Interessenten ein Informationszentrum.
Wörtlich heißt es in dem Vertrag: „Die Schienenstrecke wird als Bestandteil des konventionellen Eisenbahnnetzes der TEN-V errichtet. Die Eisenbahnverbindung auf der Festen Fehmarnbeltquerung wird für eine Geschwindigkeit von mindestens 160 km/h für Personenzüge und mindestens 120 km/h für Güterzüge errichtet. Ferner soll die Feste Fehmarnbeltquerung in technischer Hinsicht dergestalt dimensioniert und ausgerüstet werden, dass der Straßen- und Schienenverkehr, der heute die feste Querung über den Öresund benutzt, künftig auch die Feste Fehmarnbeltquerung nutzen kann.“
Bauvolumen: 7,1 Milliarden Euro in Dänemark, 3,5 Milliarden in Deutschland
Im Mittelpunkt der dänischen Bautätigkeit steht die Errichtung des, wie es heißt, „längsten Absenktunnels der Welt“. Für diesen „Fehmarn Belt Fixed Link“ baut eine eigens errichtete Fabrik am Hafen von Rødby 79 Standard-Tunnelelemente aus Beton, die dann in Neuner-Gruppen komplett in die Ostsee versenkt werden. Jedes der Elemente ist 217 Meter lang und 73.000 Tonnen schwer. Außerdem werden alle zwei Kilometer insgesamt zehn Spezialelemente positioniert mit Untergeschoss für elektrische Anlagen zur Versorgung des Tunnels. Das Baubudget auf dänischer Seite beträgt insgesamt 7,1 Milliarden Euro (Preisstand 2015), inklusive rund einer Milliarde Euro Reserven. Das Budget ist durch dänische Staatsgarantien abgesichert.
Das Fehmarnbelt-Projekt wird durch das EU-Förderprogramm für Infrastruktur (CEF) unterstützt. Für den Bau des Tunnels hat die EU eine Förderung in Höhe von rund 1,1 Mrd. Euro bewilligt und 117 Millionen Euro für die dänische Schienenanbindung. 34 Millionen Euro sind in die vorbereitenden Studien zur Schienenanbindung in Deutschland geflossen. Es wird erwartet, dass weitere Anträge aus Deutschland kommen. Das deutsche Bauvolumen wird mit etwa 3,5 Milliarden Euro angegeben.
Das dänische Parlament hatte bereits im April 2015 auf der Basis einer Umweltverträglichkeitsstudie ein Baugesetz verabschiedet. In Deutschland wurden die letzten Klagen gegen das Projekt 2022 abschlägig beschieden. Wichtig für den Erfolg waren unter anderem Zusagen, dass auf deutscher Seite zusätzlich über 200 Millionen Euro für Schallschutzwände an der Bahnstrecke ausgegeben werden. Für einzelne Bauetappen steht das Baurecht noch aus. Als Teil der Festen Fehmarnbeltquerung soll die so genannte Hinterlandanbindung von 2029 an das Bahnnetz Schleswig-Holsteins sowie an den Tunnel zwischen Deutschland und Dänemark anschließen. Für Autos wird es außerdem eine vierspurige Autobahn in einer separaten Tunnelröhre geben. Wesentlicher Teil des Projekts auf deutscher Seite wird der Bau eines Bahntunnels zwischen Fehmarn und dem deutschen Festland sein.
Berthold Huber, Infrastrukturvorstand der Deutschen Bahn: „Nach jahrelanger Planung können wir heute hier auf Fehmarn den Baustart der Schienenanbindung begehen. Gemeinsam mit unseren dänischen Partnern erschaffen wir hier mitten in der Ostsee bis 2029 eine neue europäische Schienenverbindung von Dänemark über Deutschland bis nach Italien. Dieser Korridor ist für den Nah- und Fernverkehr hier in Schleswig-Holstein genauso wichtig wie für den europäischen Güterverkehr.“
Susanne Henckel, Staatssekretärin im Bundesverkehrsministerium: „Die Anbindung zur Fehmarnbelt-Querung bringt nicht nur Deutschland und Dänemark näher zusammen, sondern ganz Europa. Von Hamburg nach Kopenhagen brauchen Zugreisende mit 2,5 Stunden künftig nur noch halb so lange wie jetzt. Der Anschluss bringt aber noch so viel mehr. Es entsteht ein europäisches Bahnnetz, auf dem Güter schneller von Nord nach Süd kommen – von Oslo bis Palermo. Ein echter europäischer Meilenstein.“ Philippe Chantraine, Referatsleiter Verkehrsinvestitionen, Generaldirektion Mobilität und Verkehr, Europäische Kommission: „Dieses Projekt ist wichtig nicht nur für die Region und für Deutschland, sondern für ganz Europa. Der Ausbau der Bahnstrecke zwischen Lübeck und Puttgarden ist ein essentieller Bestandteil des Transeuropäischen Verkehrsnetzes und des Skandinavien-Mittelmeer-Korridors. Aus Sicht der EU ist dies ein Projekt von strategischer Bedeutung. Es stellt deshalb für die EU einen echten europäischen Mehrwert dar.“ |
Inbetriebnahme für 2029 erwartet
Gebaut wird durch Femern A/S bereits am Tunneleingang auf deutscher Seite. Auch die Tunnelelemente sind seit Sommer 2023 in der Produktion. Die ersten Tunnelelemente sollen nach Angaben von Femern A/S im kommenden Jahr in einem zwölf Meter tiefen und 100 Meter breiten Graben am Boden der Ostsee versenkt und anschließend mit einer Schutzschicht Kies bedeckt werden. Der Straßen- und Eisenbahntunnel soll voraussichtlich ab 2029 Fehmarn und Lolland verbinden. Er soll die Reisezeit zwischen Hamburg und Kopenhagen von bislang fünf Stunden auf künftig unter drei Stunden verkürzen.
Im Staatsvertrag hatten Deutschland und Dänemark bereits die Inbetriebnahme der Festen Fehmarnbeltquerung für 2018 angestrebt. Technische und finanzielle Gründe sowie eine große Zahl von Protesteingaben auf deutscher Seite haben das Projektende um derzeit elf Jahre verschoben. In einem Sonderbericht mahnte der Europäische Rechnungshof 2020: Um Netzwerkeffekte planmäßig zu erzielen, bedürfen die EU-Verkehrsinfrastrukturen einer beschleunigten Umsetzung von Megaprojekten. Umso größer war deshalb bei der Start-Veranstaltung der Deutschen Bahn auf Fehmarn die Freude, dass es jetzt endlich losgeht.
Hermann Schmidtendorf, Chefredakteur