DVF: „Transformation wettbewerbsfreundlich umsetzen und Akzeptanz wahren“

DVF: „Transformation wettbewerbsfreundlich umsetzen und Akzeptanz wahren“

DVF: „Transformation wettbewerbsfreundlich umsetzen und Akzeptanz wahren“

Gruppenfoto vom DVF-Forum: Von links Dr. Florian Eck, DVF-Geschäftsführer; Dr. Heike van Hoorn, DVF-Geschäftsführerin; Christoph Schuler, Head of Public Affairs, MAN Truck & Bus SE; Hartmut Höppner, Staatssekretär im Bundesministerium für Digitales und Verkehr; Moderation: Werner Balsen, freier Autor DV; Jane Oispuu, Vertretung der Europäischen Kommission in Deutschland; Matthias Magnor, Chief Executive Officer (CEO), BLG Logistics Group AG & CO. KG; Thomas Schöpf, Chief Sales Officer (CSO), Plasser & Theurer GmbH; Prof. Dr.-Ing. Raimund Klinkner, Vorsitzender des Präsidiums Deutsches Verkehrsforum (DVF)
Wohin steuert Europa mit dem angekündigten Clean Industrial Deal? Wie kann die Transformation im Verkehrssektor zum Erfolg geführt werden? Darüber sprachen bei der Jahresauftaktveranstaltung des Deutschen Verkehrsforums DVF am 13. Januar 2025 Vertreter der Mobilitätswirtschaft mit Bundesregierung und EU-Kommission.

DVF-Präsidiumsvorsitzender Prof. Dr.-Ing. Raimund Klinkner konstatierte, dass sowohl die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen als auch die Akzeptanz für die Transformationspolitik merklich gelitten hätten. Daher mache sich das DVF für Investitionen im Sektor und einen Abbau von Bürokratie stark. „Dazu braucht es einen Gleichklang von Regulierung und Ertüchtigung der Infrastruktur, unbürokratische Förderinstrumente, Schutz vor Wettbewerbsnachteilen gegenüber internationalen Anbietern mit geringeren Nachhaltigkeitsstandards, Innovation und Investition“, so Klinkner.

Prof. Dr.-Ing. Raimund Klinkner, Vorsitzender des Präsidiums Deutsches Verkehrsforum (DVF)

Essenziell seien die Vollendung der transeuropäischen Verkehrsnetze, eine Harmonisierung von Standards und die einheitliche Umsetzung der EU-Gesetzgebung in allen Mitgliedsländern der EU. Die Antriebswende bei allen Verkehrsträgern müsse unter anderem durch Stützung des Hochlaufs alternativer Kraftstoffe vorangetrieben werden. „Die Einnahmen aus dem Emissionshandel im Verkehr, CO2-Komponenten in Steuern und anderen Abgaben müssen in den Mobilitätssektor und an den Verbraucher zurückfließen, damit diese in die Transformation investieren können.“ Dazu seien die Unternehmen bereit und fähig, wie zahlreiche Beispiele zeigten. „Der Fokus der Politik muss deshalb darauf liegen, die Wirtschaft beim Erreichen der vereinbarten Transformationsziele zu unterstützen. Wir müssen an einem Strang ziehen“, mahnte Klinkner.

Hartmut Höppner, Staatssekretär im Bundesministerium für Digitales und Verkehr sah die Prioritäten der europäischen Verkehrspolitik der nächsten Jahre im Zusammendenken von Klimaschutz, Innovationsfreundlichkeit und Wettbewerbsfähigkeit. „Mit dem Green Deal und dem „Fit for 55“-Paket wurde in den letzten Jahren ein großes regulatorisches Paket für mehr Klimaschutz geschnürt. Jetzt muss es insbesondere um die Umsetzung der neuen Regelungen in die Praxis gehen.“

Jane Oispuu, Vertretung der Europäischen Kommission in Deutschland

Ähnlich formulierte Jane Oispuu, Vertretung der Europäischen Kommission in Deutschland, die Prioritäten: „Die Transformation des Verkehrssektors Richtung Nachhaltigkeit, bessere Vernetzung und Digitalisierung kräftig vorantreiben – bei gleichzeitiger Stärkung ihrer Wettbewerbsfähigkeit.“ Das neue Arbeitsprogramm der Kommission werde zum 1. Februar veröffentlicht. Der Green Deal werde bleiben, aber die EU werde sich verstärkt um das Thema Wettbewerbsfähigkeit kümmern, etwa mit Hilfe des Clean Industrial Deal.

Matthias Magnor, Chief Executive Officer (CEO), BLG Logistics Group AG & CO. KG, verwies auf die hohe Relevanz einer europäische Hafenstrategie. Diese müsse Häfen als zentrale Drehkreuze für den globalen Warenhandel, für die Verteidigungsfähigkeit und als Wirtschaftsakteure stärken. „Maßnahmen gegen den Klimawandel sowie zur Förderung der Digitalisierung und Automatisierung spielen hierbei eine erhebliche Rolle. Direktinvestitionen, Freihandelsabkommen und eine langfristig verlässliche außenwirtschaftliche Einbettung sind essenziell, ebenso wie Investitionen in die Infrastruktur und Energiewende. Zudem muss die EU die Anwendung des Beihilferechts überprüfen und die Transformation der Arbeit effektiv unterstützen.“ Magnor betonte, dass Klimaschutz und Wettbewerbsfähigkeit in eine vernünftige Balance zu bringen seien, denn global gebe es kein Level Playing Field. Gehe die soziale Akzeptanz für Klimaschutzmaßnahmen verloren, schlage sich das negativ auf die Wirtschaft nieder und könnte politische Verwerfungen zur Folge haben.

EU soll Harmonisierung voranbringen

Thomas Schöpf, Chief Sales Officer (CSO), Plasser & Theurer GmbH, betonte die große Bedeutung einheitlicher europäischer Normen und Zulassungskriterien, um den europäischen Transportmarkt zu vollenden. „Solange nationale Zulassungskriterien die europaweiten TSI (technische Spezifikationen für Interoperabilität) ergänzen oder ersetzen, ist ein einheitlicher Markt nicht möglich. Darüber hinaus ist durch nationale Vorgaben die Einführung neuer Technologien, wie ETCS, aufgrund der kleinen Losgrößen kommerziell nicht darstellbar. Zudem würde eine generelle Arbeitsfreigabe für Baumaschinen im gesperrten Gleis Bautätigkeiten erleichtern. Das wäre europaweit einheitlich durchsetzbar!“

Die Anwendung von MEAT (Most Economical Advantageous Tender) betrachtet Schöpf als Chance Innovationen in die Anwendung zu bringen: „Das MEAT Prinzip ermöglicht eine Betrachtung der Kosten über den gesamten Lebenszyklus und berücksichtigt somit die höheren Investitionskosten und die Effizienzsteigerungen, die durch Innovationen im laufenden Betrieb entstehen.“

Das Auditorium – ein aufmerksames Publikum

Für Unternehmen der Automobilindustrie ist der Aufbau einer Tank- und Ladeinfrastruktur für alternative Antriebe wichtig, auch um die Ziele der Flottenerneuerung erfüllen zu können. Aus Sicht von Christoph Schuler, Head of Public Affairs, MAN Truck & Bus SE, sind für die Nutzfahrzeugindustrie die sogenannten Enabling Conditions entscheidend. Der Clean Industrial Deal solle diejenigen Faktoren in den Blick nehmen, die für den Erfolg der Transformation entscheidend sind: Ladeinfrastruktur und Ausbau der Stromnetze, geringere Stromkosten für die Produktion und an der Ladesäule, Entbürokratisierung und schnellere Genehmigungsverfahren. „Gerade beim Aufbau der Ladeinfrastruktur für Nutzfahrzeuge sehen wir Nachbesserungsbedarf. Zwar sind wichtige Projekte in der Pipeline, die Umsetzung wird durch lange Genehmigungsverfahren erheblich verzögert. Außerdem sehen wir erhebliche Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten – wir brauchen aber eine Ladeinfrastruktur in ganz Europa.“

Hohe Erwartungen an den Clean Industrial Deal

Die Vertreterin der Europäischen Kommission in Deutschland Jane Oispuu betonte die wichtigsten Anforderungen an den Clean Industrial Deal: „Der Clean Industrial Deal sollte erstens sicherstellen, dass die öffentlichen und privaten Investitionen – die für die Transformation unserer Industrien so nötig sind – schneller und entschiedener aufgebracht werden. Zweitens kräftig dazu beitragen, dass Europas Industrie mit ihren CO2-freien und kreislauffähigen Produkten international eine Marktführerrolle einzunehmen kann, und drittens Instrumente zur Senkung der Strompreise, zur Elektrifizierung, zum Netzausbau und nicht zuletzt zur Vereinfachung der Genehmigungsverfahren bereitstellen.“ Der Clean Industrial Deal könnte laut Oispuu Initiativen und Bereiche beinhalten wie Electrification Initiative, Industrial Decarbonisation Accelerator Act, Bekämpfung unfairer Handelspraktiken, wirtschaftliche Souveränität, Standortpolitik, Abbau von Bürokratie etwa über die Omnibusinitiative und Schaffung grüner Leitmärkte.“

Während der Debatte

Seitens der Wirtschaft gab es klare Erwartungen: „Der Clean Industrial Deal sollte drei zentrale Punkte umfassen: Erstens, Investitionen in zukunftsfähige Infrastruktur für Verkehrslogistik und Energiewende, um den Standort Deutschland zu stärken. Zweitens, eine international abgestimmte, wirtschaftsfreundliche Klimapolitik, die Wettbewerbsnachteile und ineffiziente Sonderwege vermeidet. Drittens, einen pragmatischen Ansatz: Ambitionierte Ziele sind wertvoll, dürfen jedoch nicht auf Kosten sozialer Stabilität oder wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit umgesetzt werden. Hier ist die richtige Balance zu finden“, forderte BLG-Chef Magnor.

Begrüßenswert fand Schuler von MAN, dass die neue Kommission keine Zeit vergeude und innerhalb der ersten 100 Tage den Clean Industrial Deal vorlegen wolle: „Wir brauchen eine starke EU-Industriepolitik, um die Wirtschaft in Europa einfacher und schneller zu machen. In unserem Fall bedeutet das: Es braucht Voraussetzungen bzw. Anreize, damit der Markt selbst den Übergang zur emissionsfreien Mobilität regelt. Dazu gehört aber auch ein Festhalten an den Klimazielen, denn wir brauchen Planungssicherheit.“

Staatssekretär Höppner betonte hinsichtlich des Clean Industrial Deal: „Um die Wettbewerbsfähigkeit Europas zu sichern, sollte ein solcher insbesondere folgende Punkte adressieren. Erstens: Förderung von Forschung und Innovation auf der Grundlage zukunftsweisender sauberer und digitaler Technologien. Zweitens: Die Dekarbonisierung sollte mit einem offenen technologischen Ansatz verfolgt werden. Und drittens: Notwendig für die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen sind eine schlanke Gesetzgebung, einfache administrative Verfahren sowie eine effiziente Verwaltung.“ dv

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