Europäischer Gerichtshof: Entschädigung auch für verfrüht startende Flüge und für verspätete Flieger von Drittstaaten

Europäischer Gerichtshof: Entschädigung auch für verfrüht startende Flüge und für verspätete Flieger von Drittstaaten

Europäischer Gerichtshof: Entschädigung auch für verfrüht startende Flüge und für verspätete Flieger von Drittstaaten

Egal, ob zu früh oder zu spät – Fluglinien müssen in der EU Entschädigungen zahlen. Fotos (2): Hermann Schmidtendorf
Mit mehreren Entscheidungen hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg die Rechte europäischer Fluggäste gestärkt. Fluglinien müssen auch dann bis zu 600 Euro Entschädigung zahlen, wenn ein Flugzeug zu früh abfliegt. Und bei verspäteten Flügen gibt es auch dann eine Entschädigung, wenn ein Flug durch die Fluglinie eines Nicht-EU-Staates ausgeführt wurde.

Das Landgericht Düsseldorf hatte einen Fall zu entscheiden, in dem eine Familie einen Rückflug mehr als eine Stunde zu früh antreten musste. Die Familie hatte das Glück, dass sie rechtzeitig genug auf dem Flughafen eintraf und den geänderten Flugplan feststellte, so dass sie den vorverlegten Flug wahrnehmen konnte. Trotzdem wollte sie von der Fluglinie eine Entschädigung bekommen.

EIN ÜBER 60 MINUTEN ZU FRÜH STARTENDER FLUG GILT ALS „ANNULLIERT“

Das deutsche Landgericht fragte beim EuGH nach und bekam die Auskunft, die das europäische Gericht bereits in mehreren Grundsatzentscheidungen vom 21. Dezember 2021 fixiert hatte (Rechtssache C-146/20, C-188/20, C-196/20, C-270/20, C-263/20, C-395/20). Ein über eine Stunde vorverlegter Flug ist als „annulliert“ zu betrachten. Deshalb ist die gleiche Entschädigung an die Reisenden zu zahlen wie bei einer Verspätung von mehr als drei Stunden. Unabhängig von den Kosten der Tickets beträgt gemäß der Verordnung über Fluggastrechte (261/2004) die Entschädigung bei Flügen mit einer Strecke von bis zu 1500 Kilometern 250 Euro, bei einer Flugstrecke zwischen 1500 und 3500 Kilometern 400 Euro und bei Langstreckenflügen 600 Euro.

Nicht zahlen muss die Fluglinie nur dann, wenn sie einen vorverlegten Flug mindestens zwei Wochen zuvor ankündigte. Aber diese Ankündigung muss die Reisenden persönlich erreicht haben. Es reicht nicht aus, dass ein Vermittler, zum Beispiel eine Reiseverkaufsplattform oder ein Reisebüro, darüber informiert wurde. Glaubt die Fluglinie, dass ein Informationsfehler zum Beispiel eines Reiseveranstalters vorliegt, so kann sie gegen dieses Büro klagen. Die Reisenden sind aber auf jeden Fall unabhängig davon durch die Fluglinie zu entschädigen.

Hier ist immer viel los: Flughafen Charles de Gaulle in Paris.

Außerdem muss die Fluggesellschaft die Fluggäste darüber unterrichten, unter welcher genauen Unternehmensbezeichnung und Anschrift sie eine Ausgleichszahlung verlangen können und welche Unterlagen sie dem Antrag gegebenenfalls beifügen sollen. Als Beleg für die versprochenen Flugzeiten gelten auch Dokumente, die ein Reisebüro oder Ticketverkäufer den Fluggästen beim Ticketverkauf gegeben hat. Die Ansprüche gelten also ausdrücklich auch wann, wenn die Reisenden keine Bestätigung der Flugzeiten von der Fluglinie selbst bekamen. Und: Da ein zu früh stattfindender Flug rechtlich wie ein annullierter Flug behandelt wird, dürfen Reisende, wenn sie es zeitlich schaffen, diesen Flug nutzen und bekommen trotzdem die genannte Entschädigung.

Auf Basis der Rechtsdarlegung des EuGH entschied das Landgericht Düsseldorf am 11. April 2022 zugunsten der Flugreisenden auf Zahlung der beantragten Entschädigung, das Urteil ist rechtskräftig (Aktenzeichen: 22 S 352/19).

BEI VERSPÄTUNGEN ENTSCHÄDIGT DIE „AUSFÜHRENDE“ FLUGLINIE – AUCH OHNE FIRMENSITZ IN DER EU

Am 7. April 2022 entschied das EuGH zudem (Rechtssache C-561/20): Die Entschädigungszahlungen bei Verspätung stehen Reisenden auch dann zu, wenn ein Flug durch eine Fluglinie aus einem Drittstaat durchgeführt wurde. Wesentlich ist allein, dass die Reise in einem EU-Land angetreten wurde. Es muss auch klar sein, dass die Fluglinie für die Verspätung verantwortlich ist. Allgemein gelten zum Beispiel Unwetter oder Streiks als „höhere Gewalt“, was die Zahlung von Entschädigungen gemäß der EU-Verordnung ausschließt.

Die Entschädigung an die Reisenden muss nach EU-Recht das sogenannte ausführende Luftfahrtunternehmen zahlen. In dem verhandelten Fall aus Belgien ging es um ein Ticket für einen Lufthansa-Flug, dessen Ausführung die Lufthansa an ein US-amerikanisches Partnerunternehmen delegiert hatte. Deshalb muss jetzt die amerikanische Fluglinie die Entschädigung für die Verspätung zahlen, kann sich die Ausgaben aber möglicherweise bei der Lufthansa zurückholen.

Hermann Schmidtendorf, Chefredakteur

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